Aktualisierung: 1. Januar 2024

Matinee in Tübingen

Klingende Säulen

Eine Matinee mit und ohne Hans-Martin Linde

 

TÜBINGEN (ach). Jeder, der einmal Blockflöte gespielt oder auch nur entfernt mit Blockflötenmusik zu tun gehabt hat, kennt seine Kompositionen oder zumindest seinen Namen: Hans-Martin Linde, 1930 geboren, dessen Interpretation etwa des Piccolokonzerts von Vivaldi immer noch Maßstab ist, hat seit 1957 an der Basier Schola Cantorum unterrichtet und dort den Hochschul- und Kammerchor des Konservatoriums geleitet. Nicht zuletzt seine Verdienste um die Blockflöte muss man Linde danken, der viel für das Ansehen des Instruments getan und in den 70er, 80er Jahren einen wahren Boom ausgelöst hat.
Leider konnte Linde krankheitshalber am Sonntag im Pfleghofsaal nicht bei der Uraufführung seiner "Reminiszenzen" (2001) für Blockflötenquartett anwesend sein. Die Ausführenden machten das Beste aus der Situation, zumal die meisten der zahlreichen Zuhörer gekommen sein dürften, um Linde einmal persönlich zu erleben.
Susan Eitrich (Sopran) sang mit heller Strahlkraft und sicherer Stimmführung sinnenfrohe Renaissance-Lieder aus Amt von Aichs "Liederbuch", begleitet vorn En-semble Columna Sonans (Michael Frauemchlager, Eva Praetorius, Daniela Renner und Peter Thalheimer) auf dem weltweit einzigen Säulenflöten-Quartett. Diese besonders dickwandige Bauart der Blockflöte ist so großformatig, dass sie teilweise auf dem Knie aufgestellt werden muss, das weich verhänge ne Timbre ähnelt dem einer Orgelpfeife.
Linde bezieht sich in seinen "Reminiszenzen" auf größtenteils barocke Stücke von Couperin, Saraceni, Domenico Scarlatti, Binchois und Purcell (am Cembalo Carsten Lorenz ), die im Wechsel mit Lindes Sätzen vorgestellt wurden. Man bekam einen Einblick in die Geistes Verwandtschaft, die Familienähnlichkeit zwischen alter und neuer Musik: Manchmal tauchten einzelne Gesten oder hervorstechende Wendungen verwandelt wieder auf.
Neben Arien von Keiser und Telemann begeisterte Eitrich auch in drei "Brentano-Liedern" von Linde, in denen sich der Komponist wieder einmal als Meister von Miniatur-Szenen betätigte. Vor allem seine Blockflötenwerke sind dem Geist dar "Spielkreis"-Musik treu geblieben: Sie sind nicht zuletzt Stücke, die man gerne miteinander spielt, die vom gemeinsamen Musizieren leben und den Dialog suchen, bei dem jeder einen Teil zum gelingenden Ganzen beiträgt.